Eigentlich will ich ja nicht viel über Politik und Geschichte schreiben. Aber heute muß es sein.
Ich finde es ja so faszinierend: Der erfolgversprechendste Versuch, einen der größten Massenmörder der Geschichte zu stoppen – der ja leider nur an einem dummen Zufall scheiterte –, wird von linker Seite in Grund und Boden gebrüllt, weil an der „Operation Walküre“ nicht ausschließlich Leute beteiligt waren, die ihr Leben lang Antifaschisten und/oder Kommunisten waren. Auch weil bekanntlich jeder, der einmal ein Fascho war, für immer ein Fascho bleiben wird. Und weil jeder, der in irgendeiner Form mit Faschos kooperiert, selbst einer ist und wiederum für immer bleiben wird. Punkt.
Viele Linke gerieren sich, als präferierten sie es, daß Hitler das Attentat überstand und fast noch ein weiteres Dreivierteljahr an der Macht blieb, einfach weil „Operation Walküre“ von den „falschen“ Personen durchgeführt wurde. Noch mehr vergaste Juden, noch mehr vergaste Sinti und Roma, noch mehr vergaste Behinderte, noch mehr vergaste
Andersdenkende – das dürfen wir auf gar keinen Fall vergessen – und noch mehr zivile Kriegsopfer. Aber Hauptsache, die NS-Spitze wurde nicht von „dem da“ gekillt.
Kurioserweise wird auch Johann Georg Elsers Hitler-Attentat vom 8. November 1939 – das an einem anderen dummen Zufall scheiterte – gerne unter den Teppich gekehrt. Und das, obwohl Elser nicht nur ein linker Arbeiter war, der den Hitlergruß verweigerte und die Reden des Führers boykottierte, sondern sogar Kommunist. Vielleicht, weil bei genauerer Betrachtung sein Ziel trotzdem keine kommunistische Revolution war, schon gar keine anarchistische, sondern einfach nur, die Eskalation des 2. Weltkriegs zu stoppen. Vielleicht auch aus Neid, weil Elsers Bombenattentat, wie auch Stauffenbergs Bombenattentat, eine größere Chance hatte, die NS-Herrschaft zu beenden als die eine Flugblattaktion der „Weißen Rose“.
Ich glaube aber auch: Viele haben ein Problem damit, daß Elser und Stauffenberg weiße Cishet-Männer waren. Je nach Perspektive sogar
alte weiße Cishet-Männer.
Das sieht man schon daran, daß Sophie Scholl hochgejazzt wird zu einer Mischung aus Johanna von Orléans, Jesus von Nazareth, Mahatma Gandhi, Mutter Teresa und einer nicht judenfeindlichen Greta Thunberg – obwohl das, was sie ganz konkret tat, genau gar nichts brachte außer ihr selbst Märtyertum.
Das ist ja schön und gut. Aber wer Hans Scholl und Christoph Probst waren, weiß gleichzeitig keine Sau, und es interessiert auch keine Sau. Die allermeisten Menschen müßten diese beiden Namen nachschlagen. Ich mußte das übrigens auch. Und literarisch™ jede Doku über die „Weiße Rose“ konzentriert sich fast ausschließlich auf Sophie.
Kurioserweise könnte man der „Weißen Rose“ patriarchalische Tendenzen vorwerfen. Als Gründer und Planer hatten die Männer Hans Scholl und Christoph Probst das Sagen, die Frau Sophie Scholl, die nur ein paar Tage dabei war, dagegen nicht, weil sie eben nur ein paar Tage dabei war. Aber die „Weiße Rose“ kritisiert man nicht.
Ich warte wirklich auf eine Petition, irgendeine Geschwister-Scholl-Schule in Sophie-Scholl-Schule umzubenennen.
Letztlich fühlen sich vermutlich die vielen linken Pazifisten daran gestört, daß sowohl Elser als auch Stauffenberg auf Gewalt setzten. Derweil malen sie sich aus, daß die „Weiße Rose“ explizit zu ausschließlich und komplett gewaltfreiem Widerstand aufgerufen hätte. Als hätte das funktioniert gegen ein ultrabrutales, hochgerüstetes Terrorregime, das keine Probleme damit hatte, über zig Millionen Leichen zu gehen – im eigenen Lande wie auch im Ausland.
(Spoiler: Hätte es nicht.)Ich wage dagegen zu behaupten: Die Geschwister Scholl und Christoph Probst waren keine proto-hippiesken Traumtänzer, die zu Frieden und Pazifismus keine Alternativen anerkennen wollten, sondern sie waren Realisten. In einer zutiefst brutalen Realität. Denen war es Wurscht, wie der Widerstand letztlich aussehen würde, solange er stattfindet und letztlich auch was bringt.
(Inhaltswarnungen zum Filtern: #Politik #DEpol #Faschismus #Antifaschismus #Kommunismus #Gewalt #Patriarchat #Religion ⚠️)#
Stauffenberg #
Operation Walküre #
Elser #
Georg Elser #
Johann Georg Elser #
Sophie Scholl #
Hans Scholl #
Geschwister Scholl #
Christoph Probst #
Weiße Rose #
Widerstand #
Hitler-Attentat #
8. November #
8. November 1939 #
20. Juli #
20. Juli 1944